Die finanzielle Lage vieler deutscher Städte und Gemeinden ist angespannt. Wie eine Analyse der Beratungsgesellschaft EY zeigt, greifen immer mehr Kommunen zu einem wirksamen Instrument, um ihre Einnahmen zu steigern: der Erhöhung des Grundsteuer-Hebesatzes. Wie die Zeit berichtet, hatten im Jahr 2024 bereits 53 Prozent der Kommunen einen Hebesatz von 400 oder mehr. Im Vergleich dazu lag dieser Anteil im Jahr 2005 bei lediglich fünf Prozent. Umgekehrt verfügten 2005 noch 22 Prozent der Kommunen über einen Hebesatz unter 300; im Jahr 2024 waren es nur noch drei Prozent.
Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Kommunen. Sie dient der Finanzierung öffentlicher Einrichtungen und Infrastruktur wie Straßen, Schwimmbädern oder Theatern. Es handelt sich um eine jährliche Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden. Vermieter können die Grundsteuer auf ihre Mieter umlegen. Die Höhe der zu zahlenden Steuer hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Wert des Grundstücks, dem darauf befindlichen Gebäude und dem von der jeweiligen Kommune festgelegten Hebesatz.
Für die meisten Eigentümer von Wohnungen oder Häusern beläuft sich die Grundsteuer auf einige hundert Euro pro Jahr. Bei Besitzern von Mietshäusern können die Beträge jedoch oft vierstellig sein. Ab 2025 wird die Berechnung der Grundsteuer auf einer neuen Grundlage erfolgen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die bisherige Bemessungsgrundlage als verfassungswidrig einstufte.
Laut EY-Experte Heinrich Fleischer stehen viele Städte und Gemeinden finanziell unter Druck. Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, erklärt Fleischer die steigenden Hebesätze mit der angespannten Finanzlage vieler Kommunen. Steigende Kosten, mit denen auch die Bürger zu kämpfen haben, zwängen die Kommunen dazu, ihre Einnahmen zu erhöhen. Dieser Trend zu immer höheren Grundsteuer-Hebesätzen habe sich dadurch weiter beschleunigt. Laut Manager Magazin beobachtet Fleischer vor Inkrafttreten der Grundsteuerreform eine „regelrechte Welle an Steuererhöhungen“. Er erwartet, dass sich dieser Trend auch im laufenden Jahr fortsetzen wird. Kommunen stünden unter dem Druck, ihr Versprechen einzuhalten, die Bürger durch die Grundsteuerreform nicht zusätzlich zu belasten. Fleischer bezweifelt jedoch, dass dies gelingt. Die Versuchung, im Zuge der Umstellung zusätzliche Einnahmen zu generieren, sei groß. Angesichts der schwachen Wirtschaftslage dürfte der Handlungsspielraum der Kommunen eher kleiner als größer werden.
Der Analyse von EY zufolge haben 2023 insgesamt 2.671 Kommunen – gut ein Viertel aller Städte und Gemeinden – ihren Hebesatz erhöht. Im Jahr 2022 lag der Anteil der Kommunen, die ihren Hebesatz innerhalb eines Jahres erhöht hatten, bei 13 Prozent, im Vorjahr bei acht Prozent. Demgegenüber gab es 2023 kaum Senkungen: Lediglich 49 der knapp 10.800 Kommunen in Deutschland senkten ihren Hebesatz – das entspricht 0,4 Prozent.
Im bundesweiten Durchschnitt lag der Hebesatz 2023 bei 409 Prozent – 18 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Dies ist laut EY der stärkste Anstieg seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2005, als der Durchschnitt noch bei 317 lag. Der sprunghafte Anstieg ist vor allem auf die Entwicklung in Rheinland-Pfalz zurückzuführen. Dort erhöhten 2023 vier von fünf Kommunen den Grundsteuer-Hebesatz. Wie EY erklärt, lag dies an einer Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Um Einnahmeverluste zu vermeiden, mussten viele Städte und Gemeinden ihre Hebesätze teils deutlich anheben.
Die Bundesländer mit den höchsten durchschnittlichen Hebesätzen waren 2023 Nordrhein-Westfalen (577), Hessen (507) und Rheinland-Pfalz (464). Die niedrigsten Sätze hatten im Durchschnitt die Kommunen in Schleswig-Holstein (348), Bayern (355) und Baden-Württemberg (370). Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, spülte die Grundsteuer B im Jahr 2023 rund 15,1 Milliarden Euro in die Kassen der Kommunen.
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