19.10.2024
Ungarische Staatskrise: Präsidentin Novak nach Skandal zurückgetreten
Ungarn - Staatspräsidentin Novak zurückgetreten In einer Entwicklung, die die politische Landschaft Ungarns erschüttert hat, gab Staatspräsidentin Katalin Novak ihren Rücktritt bekannt. Ihre Amtszeit, die im Mai 2022 begann, endete abrupt, nachdem sie inmitten eines Skandals um eine umstrittene Begnadigung stand. Novak, die als erste Frau das höchste Amt im ungarischen Staat innehatte, sah sich gezwungen, ihre Position aufzugeben, nachdem sie einen Mann begnadigt hatte, der in einen schwerwiegenden Fall von sexualisierter Gewalt gegen Kinder verwickelt war. Die Begnadigung, die im April 2023 im Kontext des Besuchs von Papst Franziskus in Ungarn erfolgte, betraf den ehemaligen stellvertretenden Direktor eines staatlichen Kinderheims. Dieser war zuvor zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er dabei geholfen hatte, Missbrauchsfälle zu vertuschen, die der Direktor der Einrichtung begangen hatte. Das Gericht stellte fest, dass der Mann Kinder dazu genötigt hatte, ihre Aussagen als Opfer von Missbrauch zurückzuziehen, um seinen Vorgesetzten zu schützen. Die Begnadigung wurde erst durch investigative Medienberichte öffentlich bekannt und löste eine Welle der Empörung in der ungarischen Gesellschaft aus. In einer im ungarischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Erklärung räumte Novak ein, einen Fehler gemacht zu haben. Ihre Entscheidung hatte nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch innerhalb der politischen Führung für Unruhe gesorgt. Premierminister Viktor Orban, der Novak einst für das Präsidentenamt vorgeschlagen hatte, distanzierte sich von der Entscheidung und brachte sogar einen Vorschlag zur Änderung der ungarischen Verfassung ein, der zukünftige Begnadigungen von Straftätern, deren Opfer Kinder sind, verbieten soll. Die Reaktionen auf Novaks Rücktritt waren gemischt. Während einige den Schritt als notwendige Konsequenz ihres Handelns betrachteten, sahen andere darin ein Zeichen für die Funktionsfähigkeit der ungarischen Demokratie. Tausende Menschen hatten in Budapest auf den Straßen protestiert und Novaks Rücktritt gefordert. Der Rücktritt zeigt, dass auch in Ungarn Druck der Öffentlichkeit und politische Verantwortlichkeit zu bedeutenden Veränderungen führen können. Neben Novak geriet auch die ehemalige Justizministerin Judit Varga in die Kritik, da sie den Begnadigungen zugestimmt hatte. Varga, die zuvor als Kandidatin der Regierungspartei Fidesz für die Wahl zum Europäischen Parlament gehandelt wurde, gab bekannt, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, ihren Sitz im Parlament niederzulegen und nicht mehr für die EU-Wahlen zu kandidieren. Orbans Regierung hat sich häufig als Beschützerin von Kindern und als Gegnerin von sexueller Gewalt präsentiert. So wurde 2021 ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das unter anderem die Aufklärung von Kindern über Homosexualität in Schulen verbietet. Kritiker sehen darin eine Gleichsetzung von Homosexualität mit Pädophilie, was von der Regierung jedoch bestritten wird. Novak hatte in den letzten Monaten der Regierungspolitik nicht immer entsprochen. Sie äußerte sich beispielsweise kritisch zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und sprach sich für eine schnelle Ratifizierung des NATO-Beitritts Schwedens aus, die von Orbans Fidesz-Partei verzögert wurde. In Ungarn spielen Staatspräsidenten zwar eine eher repräsentative Rolle, doch die Besetzung dieses Amtes ist politisch bedeutend. Die Tatsache, dass Novak von Orbans Partei Fidesz vorgeschlagen wurde und das erste weibliche Staatsoberhaupt Ungarns war, machte ihre Amtszeit zu einem symbolträchtigen Kapitel in der ungarischen Politik. Mit ihrem Rücktritt endet jedoch ein kurzes Kapitel der Geschichte, das nun von Kontroversen und einer tiefen politischen Zäsur geprägt ist.
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