19.10.2024
Wanderung durch die Geschichte des Odenwaldes

Der Wandertipp: Buchen schützen die Mauern

Im Herzen des Odenwaldes, wo die Geschichte des Bergbaus und die Natur aufeinandertreffen, liegt der malerische Ort Beerfurth. Hier, in der Nähe des Beerfurther Schlösschen, erstreckt sich ein Wanderweg, der nicht nur die Schönheit der Landschaft offenbart, sondern auch die Spuren einer vergangenen Industriegeschichte sichtbar macht. Vor hundert Jahren endete die Bergbautradition in dieser Region, und ein aufwendiger Lehrpfad erinnert an diese Zeit.

Die Verbindung zwischen Odenwald und Bergbau ist nicht leicht zu erkennen. Die meisten Spuren der jahrhundertelangen Gewinnung von Erzen, Ton und Schwerspat sind mittlerweile verschwunden. Die Stollen sind vermauert, und die Förderanlagen sind längst abgebaut. Um dieses Erbe zu bewahren, hat der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald zahlreiche Informationspfade eingerichtet, die sowohl geologische als auch kulturhistorische Aspekte beleuchten. Diese Wege laden die Wanderer ein, die Geschichte und die Schönheit der Region zu entdecken.

Ein besonders interessanter Teil dieser Wanderung führt durch die Montanregion von Reichelsheim. Hier wurde über Jahrhunderte Eisenerz abgebaut, und der Raum zwischen Gersprenz und Osterbach erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung, als die Industrie Manganerz benötigte. Ab etwa 1880 entstanden zahlreiche Schächte, und eine Drahtseilbahn transportierte das Erz zur Bahnverladestation. In der Blütezeit bot der Bergbau 300 Menschen Arbeit, doch trotz einer Gesamtfördermenge von 400.000 Tonnen musste die Region am Ende rote Zahlen schreiben. Vor genau hundert Jahren erlosch die letzte Grubenlampe, und die Bergbautradition fand ihr Ende.

Die frühen Abbauaktivitäten waren bescheiden, und die kargen Sandstein- und Granitböden erlaubten kaum eine andere Nutzung als die Viehwirtschaft. Armut war ein ständiger Begleiter der Menschen im Odenwald. In dieser schwierigen Lebenssituation verwundert es nicht, dass die zahlreichen Burgruinen als preisgünstige Steinbrüche genutzt wurden. Die Überreste des Beerfurther Schlösschen sind ein Beispiel dafür. Diese Turmburg wurde im 11. Jahrhundert erbaut, doch der Ausbau zu einer größeren Festung blieb aus. Archäologische Grabungen im 19. Jahrhundert deuteten darauf hin, dass die Anlage nie vollendet wurde und frühzeitig aufgegeben wurde. Der Abtransport von Steinen für den Bau eines Schulhauses in Beerfurth im Jahr 1740 ist dokumentiert und zeigt, wie die lokale Bevölkerung die Ruine als Materialquelle nutzte.

Die Erbacher Grafen, die zu dieser Zeit ein wachsendes Bewusstsein für den Erhalt von historischen Stätten entwickelten, verboten den Abtransport von Steinen. Es stellte sich heraus, dass mehr Steine als benötigt ins Tal transportiert wurden. Heute bildet der verbliebene Rest der Mauern eine harmonische Verbindung zur Natur. Die Buchen, die über die Mauern wachsen, scheinen diese mit ihrem Wurzelwerk schützend zu umarmen, als wollten sie die Geschichte für die Nachwelt bewahren.

Wegbeschreibung

Die Wanderung beginnt im Ortsteil Beerfurth, wo der Bus an der B 38 hält. Ein größerer Parkplatz befindet sich etwas unterhalb, sowie ein weiterer Parkplatz an der Michelbacher Straße. Von hier aus führt die Straße Marktplatz auf einen kleinen, runden Platz. Wanderer folgen den grünen Radwegeschildern und biegen links in die Fabrikstraße ein, um in die Natur zu gelangen. Die Markierung Bo 1 weist den Weg.

Ein asphaltierter Weg verbindet die Gersprenz mit der Bockenröder Mühle, die einst eine von rund fünfzig Mühlen entlang des Flusses war. Diese Mühle ist heute eine Gedenkstätte, und bei der Umwandlung in eine Wohnanlage wurden einige Mauern und eiserne Mühlräder erhalten. Eine Holzplastik eines Müllers erinnert an die vielen Generationen, die hier bis 1960 das Müllerhandwerk ausübten.

Die Wanderung führt weiter durch die malerische Landschaft, vorbei an Wiesen und Wäldern. Der Weg steigt an und bietet bald einen herrlichen Ausblick über die Umgebung. Im Wald angekommen, wird der Pfad moderater, und nach etwa 600 Metern biegt der Weg rechts ab. Hier treffen die Wanderer auf den Lehrpfad „Bergbaulandschaft Reichelsheim“, der über 13 Kilometer verläuft und zahlreiche Stationen bietet, die die Geschichte des Bergbaus in der Region erläutern.

Einige der wichtigsten Stationen sind leicht zu erreichen, darunter eine Lore mit Manganerz und die Bergstation der Drahtseilbahn. An einer Kreuzung sind die Fundamente des Maschinenhauses der Grube Georg zu erkennen. Diese Zeugnisse der industriellen Vergangenheit laden die Wanderer ein, mehr über die Geschichte des Bergbaus im Odenwald zu erfahren.

Die Wanderung führt weiter über einen Höhenzug, wo sich der Steinernen Tisch befindet, ein ehemaliger Rastplatz adliger Jagdgesellschaften. Hier können Wanderer eine Pause einlegen und die Aussicht genießen, bevor sie den Abstieg in Richtung Beerfurth antreten. Der Weg führt durch dichte Vegetation und schließlich durch die östliche Bebauung von Beerfurth, wo der historische Kern des Dorfes liegt.

Anfahrt und Sehenswürdigkeiten

Reichelsheim ist von Norden über die B 38 oder von Westen über die A 5 bis Bensheim und die B 47 via Lindenfels erreichbar. Parkmöglichkeiten sind im Stadtteil Beerfurth vorhanden. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt über Reinheim, teilweise mit Umstiegen in Darmstadt.

In Beerfurth gibt es einige Sehenswürdigkeiten, darunter die mehr als zweihundertjährige Lebkuchenbäckerei von Familie Baumann, die in der Saison einen Ladenverkauf anbietet. Diese Bäckerei ist eine Institution in der Region und ein beliebtes Ziel für Wanderer, die sich nach einer langen Wanderung stärken möchten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Wanderweg zum Beerfurther Schlösschen nicht nur eine Gelegenheit bietet, die natürliche Schönheit des Odenwaldes zu genießen, sondern auch einen tiefen Einblick in die Geschichte der Region gibt. Die Symbiose aus Natur und Geschichte macht diesen Weg zu einem einzigartigen Erlebnis für Wanderer und Geschichtsinteressierte.

Quellen: F.A.Z.

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