Obwohl Biathlon in Sachen Geschlechtergerechtigkeit im Sport als Vorreiter gilt – gleiche Wettkampfformate, gleiche Preisgelder, gleiche Medienpräsenz – herrscht bei den Trainerpositionen ein deutliches Ungleichgewicht. Wie die F.A.Z. berichtet, waren bei den Olympischen Spielen 2024 nur 13 Prozent der akkreditierten Biathlon-Coaches weiblich. Dieser Umstand wirft die Frage auf: Warum entscheiden sich so wenige ehemalige Athletinnen für eine Trainerkarriere?
Die Internationale Biathlon-Union (IBU) und der Deutsche Skiverband (DSV) nennen diverse Faktoren, die laut F.A.Z. zu diesem Missverhältnis beitragen. Historische Geschlechterrollen, fehlende weibliche Vorbilder in Trainerpositionen und unbewusste Vorurteile spielen eine Rolle. Ein weiterer Aspekt ist die hohe Reisebelastung, die mit Training und Wettkämpfen einhergeht. Sandra Flunger, Biathlon-Cheftrainerin der Schweiz, äußerte gegenüber der F.A.Z. die Vermutung, dass das ständige Unterwegssein und der damit verbundene Verzicht auf soziales Umfeld für viele ehemalige Athletinnen abschreckend wirken könnte. Flunger selbst beendete ihre aktive Karriere früh und fand über Umwege zum Trainerberuf. Sie betont, dass der Schweizer Verband sie als Frau in der Trainerposition voll akzeptiert und unterstützt.
Wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf eine Meldung der DPA berichtet, sind Trainerinnen auch mit Vorurteilen, Geschlechterklischees und mangelnder Akzeptanz konfrontiert. Die IBU beobachtet zwar einen „kulturellen Wandel“ – im IBU-Cup sind mittlerweile rund 30 Prozent der Trainer weiblich, in der Trainerausbildung sogar 44 Prozent – doch auf der höchsten Ebene, dem Weltcup, bleibt die Anzahl weiblicher Trainerinnen, wie die F.A.Z. berichtet, verschwindend gering.
Die ehemalige Biathletin und Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick, die aktuell als TV-Expertin arbeitet, erklärt gegenüber der F.A.Z., dass ihre Entscheidung gegen eine Trainerkarriere nicht bewusst gefallen sei, sondern mit ihrer persönlichen Lebensplanung und neuen Möglichkeiten zusammenhänge. Sie betont, dass ein gutes Vertrauensverhältnis zum Trainer nicht vom Geschlecht abhänge. In ihrer Karriere habe sie positive und negative Erfahrungen mit männlichen Trainern gemacht. Manchmal sei es schwierig gewesen, offen über körperliche Empfindungen im Training zu sprechen.
Die Problematik des Trainerinnenmangels beschränkt sich nicht nur auf den Biathlon, sondern betrifft den Sport allgemein, wie ein Bericht der Sportschau, der sich ebenfalls auf eine Meldung der DPA bezieht, zeigt. Auch im Para-Sport ist der Mangel an Trainern und Übungsleitern ein Thema, wie Bundestrainerin Schinkitz im ZDF anprangerte. Sie beklagt fehlende Bezahlung und mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten. Die Studie "Belastungen im Nachwuchsleistungssport" der Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) beleuchtet die Belastungen von Trainern im Nachwuchsbereich und zeigt auf, dass die Trainer eine wichtige Rolle bei der Identifizierung und Lösung von Problemen (z.B. Krankheit, Schulprobleme, Überlastung) spielen. Die "Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung" des Bundesministeriums des Innern (BMI) fokussiert primär auf olympische Sportarten und zeigt die Verteilung der Fördermittel auf. Die Studie "Umfeldbedingungen für Athlet:innen" der Sporthilfe untersucht die Wahrnehmung der Athlet:innen in Bezug auf ihr Umfeld, einschließlich der Trainer.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mangel an Biathlon-Trainerinnen ein komplexes Problem mit verschiedenen Ursachen ist. Neben gesellschaftlichen Faktoren wie traditionellen Geschlechterrollen und fehlenden Vorbildern spielen auch die spezifischen Bedingungen des Leistungssports, wie die hohe Reisebelastung, eine wichtige Rolle. Die Förderung weiblicher Trainerinnen und die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen sind notwendig, um das Ungleichgewicht zu beheben.
https://www.faz.net/aktuell/sport/wintersport/biathlon-wm-2025-in-lenzerheide-wo-bleiben-die-trainerinnen-110302293.html
https://www.sportschau.de/newsticker/dpa-trainerinnen-mangel-im-wintersport-es-braucht-verstaendnis-100.html
https://www.sueddeutsche.de/sport/viele-maenner-kaum-frauen-trainerinnen-mangel-im-wintersport-es-braucht-verstaendnis-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230221-99-678189
https://www.zdf.de/nachrichten/sport/paralympics-2024-bundestrainerin-schinkitz-trainermangel-foerderung-100.html
https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Projektlisten/Belastung%20im%20Nachwuchsleistungssport.pdf?__blob=publicationFile&v=1
https://www.sporthilfe.de/fileadmin/pdf/Studien/Studie_Umfeldbedingungen_fuer_AthletInnen_2022.pdf