Die Investitionstätigkeit deutscher Unternehmen verlagert sich zunehmend ins Ausland. Eine aktuelle Umfrage des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), über die die Zeit berichtete, zeigt, dass fast jedes dritte im Ausland tätige Industrieunternehmen im Südwesten Deutschlands plant, Investitionen im Inland zugunsten von Investitionen im Ausland zurückzustellen. An der Umfrage, die zum Jahresbeginn 2025 durchgeführt wurde, nahmen 3.679 Mitgliedsunternehmen teil. Von den 311 im Ausland aktiven Industrieunternehmen gaben 30 Prozent an, inländische Investitionen zugunsten ausländischer Investitionen zurückstellen zu wollen.
Claus Paal, BWIHK-Vizepräsident und Präsident der IHK Region Stuttgart, sieht die Gründe hierfür in den hohen Kosten, der Bürokratie und anderen Belastungen am Standort Deutschland. Er fordert eine umfassende Wirtschaftsagenda, die Innovationen und Investitionen fördert, die Standortkosten senkt und den Bürokratieabbau vorantreibt. Wie die Zeit die Meldung aus der DPA wiedergab, sieht Paal die Notwendigkeit neuer Strategien, um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Verlagerung von Investitionen ins Ausland ist kein neues Phänomen. Bereits 2024 zeigte eine Sonderauswertung der DIHK-Konjunkturumfrage, dass Kosteneinsparungen ein wichtiges Motiv für Auslandsinvestitionen sind. Wie die DIHK berichtet, nannten 35 Prozent der befragten Unternehmen Kosteneinsparungen als Hauptmotiv für Investitionen im Ausland. Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung, sieht darin ein alarmierendes Signal und betont die Notwendigkeit, Deutschland als Produktionsstandort wieder attraktiver zu machen.
Auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2023, belegt die hohen Netto-Abflüsse von Direktinvestitionen aus Deutschland. Wie das IW Köln berichtet, flossen 2022 rund 125 Milliarden Euro mehr Direktinvestitionen aus Deutschland ab, als im gleichen Zeitraum in die Bundesrepublik investiert wurden. Als Gründe nennt das IW den Fachkräftemangel, Investitionspakete anderer Länder wie den amerikanischen Inflation Reduction Act und den wachsenden Protektionismus, der das deutsche Exportmodell belastet.
Eine Analyse des KfW-Mittelstandspanels 2023 zeigt jedoch, dass die Verlagerung von Unternehmensaktivitäten ins Ausland im deutschen Mittelstand weiterhin gering ist. Wie die KfW berichtet, haben im Zeitraum 2019-2022 nur 1,7 Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen im Ausland investiert. Für die kommenden Jahre planen nur 3,8 Prozent aller mittelständischen Unternehmen Investitionen im Ausland, hauptsächlich um neue Absatzmärkte zu erschließen. Geringere Steuern, weniger Regulierung und niedrigere Arbeitskosten spielen für die Entscheidung, im Ausland zu investieren, eine untergeordnete Rolle.
Die Bundesbank analysierte im Monatsbericht Oktober 2024 die Entwicklung der deutschen Direktinvestitionen. Demnach stiegen die deutschen Direktinvestitionen im Ausland zwischen Januar 2010 und Juni 2024 um knapp 1.700 Milliarden Euro. Die USA und der Euroraum sind die wichtigsten Standorte für deutsche Direktinvestitionen im Verarbeitenden Gewerbe. Gleichzeitig haben die Direktinvestitionszuflüsse nach Deutschland seit 2022 deutlich nachgelassen.