19.10.2024
Warum junge Ärzte in Kliniken einen Burnout haben

Warum so viele Ärzte in Kliniken einen Burnout haben

Die meisten jungen Ärzte müssen in Kliniken mehr als zehn Stunden täglich arbeiten. Durch Übermüdung entstehen immer mehr Fehlbehandlungen. Jeder Zweite leidet unter Burnout-Symptomen.

Andrea arbeitet als Assistenzärztin in der Berliner Charité. Sie will anonym bleiben, um ihr berufliches Fortkommen nicht zu gefährden. Was sie berichtet, lässt aufhorchen: Teilweise arbeite sie mehr als 24 Stunden durch. Nicht selten erlebe sie, dass sie "nicht auf Toilette gehen kann, weil dauernd Arbeit auf uns einprasselt".

Laut Arbeitsvertrag soll für sie nach 42 Stunden pro Woche Schluss sein. Tatsächlich, so erzählt Andrea, komme sie in manchen Wochen auf mehr als 80 Stunden. Darunter Überstunden, die sie gar nicht aufschreibe. Davon hätten ihr Vorgesetzte mit Blick auf ihr berufliches Fortkommen "abgeraten".

Hinzu kämen noch Bereitschaftsdienste, die nach Andreas Angaben offiziell nicht als reguläre Arbeitszeit gelten. Laut Tarifvertrag dürfte sie in Bereitschaft höchstens die Hälfte der Zeit arbeiten. Ihre Realität ist aber eine andere. Sie habe ausgerechnet, dass sie in solchen Bereitschaftsdiensten zwischen 70 und 90 Prozent der Zeit aktiv sei.

So wie Andrea geht es offenbar vielen Ärzten unter 35 Jahren. Nach einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege arbeiten 71 Prozent der Befragten mehr als 48 Stunden pro Woche. Auf mehr als 60 Wochenstunden kommen nach einer Umfrage der Ärztegewerkschaft Marburger Bund 20 Prozent der Ärzte.

Jeder Zweite hat Burnout-Symptome

Dinge, die sie ihren Patienten oft raten - Stress reduzieren, gesund ernähren, auf sich aufpassen - könnten sie selbst oft nicht leisten, berichten betroffene Ärzte. Und das hat Folgen: Nach der zitierten Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege antworteten fast 64 Prozent der Befragten, ihre Gesundheit sei belastet.

Und 56 Prozent, also mehr als jeder Zweite, berichtet von Burnout-Symptomen. Bedeutet, so die Studie, eine "erhebliche Gesundheitsgefährdung unter aktuellen Arbeitsbedingungen."

Viele Ärzte unter Medikamenteneinfluss

Professor Reinhard Strametz vom Institut für Patientensicherheit in Wiesbaden kann das bestätigen. Um diesen Belastungen Stand zu halten, würden viele Ärzte unter Medikamenteneinfluss arbeiten. Das sei schlecht für die Ärztinnen und Ärzte, aber auch "eine Gefährdung der Patientensicherheit".

Tatsächlich ist eine steil ansteigende Fehlerhäufigkeit eine weitere Folge überlanger Arbeitszeit. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat dazu die internationalen Forschungsergebnisse ausgewertet. Danach erhöht sich die Fehlerhäufigkeit schon nach acht Stunden Arbeit am Tag deutlich und verdoppelt sich nach der zwölften.

"Viel zu häufig übersehen wir Diagnosen oder leiten Therapien zu spät ein", berichtet ein Assistenzarzt der Charité, der anonym bleiben möchte, zu plusminus. Wenn ein Notfall niConsent

Mindestens 20 Prozent der Ärzte leiden am Burn-out-Syndrom. Die öffentliche Meinung und die immer höheren Qualitätskriterien verlangen den fachlich unangreifbaren Mediziner mit möglichst hoher emotionaler Kompetenz.

78 Prozent der Ärzte äußern sich resignativ oder unzufrieden über ihren Beruf, 58 Prozent würden nicht mehr als Vertragsarzt arbeiten wollen, 37 Prozent würden den Beruf heute nicht mehr ergreifen. Bezogen auf jeden einzelnen Aspekt ihres Berufes, waren die Ärzte im Jahr 1997 unzufriedener als noch 1986 (23). Am zufriedensten sind Kinderärzte, HNO-Ärzte und Hausärzte; die Unzufriedenheit ist am höchsten bei Orthopäden, Urologen, hausärztlich tätigen Internisten und Augenärzten (18). Das Morbiditäts-, Mortalitäts- und Suizidrisiko (12) von Ärzten ist im Vergleich zu entsprechenden anderen Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich erhöht. Das widerspricht eindeutig dem Glauben nicht weniger, sie seien unverwundbar (1). "I've done too much for too many for too long with too little regard for myself" (22) - eine zutreffende, knappe Definition für die Entwicklung von Burn-out.

Burn-out ist das Ergebnis eines Prozesses der insuffizienten Bewältigung stressreicher Arbeitssituationen und innerlich nicht akzeptierter Diskrepanzen. Diese bestehen zwischen der individuellen Lebenssituation, den eigenen Werten, der intrinsischen Motivation einerseits und der Wirklichkeit von unerwarte

Beim "Bündnis Junge Ärzte" hören sie solche Erzählungen immer wieder. Kevin Schulte vom "Bündnis Junge Ärzte" sieht die Politik in der Pflicht.

Beim "Bündnis Junge Ärzte" hören sie solche Erzählungen immer wieder. Kevin Schulte, selbst Mediziner in Schleswig-Holstein und 33 Jahre alt, wollte es deshalb genauer wissen. Gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtsfürsorge (BGW) ließ er Ärzte bis 35 Jahren und mit weniger als sechs Jahren Berufserfahrung befragen. Das Ergebnis: 70 Prozent zeigen Anzeichen für einen Burn-out. 22 Prozent gaben an, schon einmal Medikamente genommen zu haben, um mit dem Stress klarzukommen. Kevin Schulte geht dabei von Psychopharmaka aus. "Das fand ich doch sehr viel und sehr erschreckend. Ich hätte nicht gedacht, dass das so ein Ausmaß hat."

Mangelhafte Weiterbildung

Dass in deutschen Kliniken teils harte Arbeitsbedingungen herrschen, ist nicht neu. Immer mehr Patienten sollen in möglichst kurzer Zeit behandelt werden. Überstunden gehören offenbar häufig dazu - laut Hartmannbund arbeitet ein Arzt im Durchschnitt 51 Stunden pro Woche. Assistenzärzte sind da anscheinend keine Ausnahme, doch der Unterschied zu ihren erfahrenen Kollegen ist: Sie sollen eigentlich noch etwas lernen. Nach Jahren im Hörsaal lassen sich viele nach ihrer Approbation zum Facharzt weiterbilden. Hier bekommen sie dann die nötige Praxis. Chirurgen zum Beispiel sollen in dieser Zeit von erfahrenen Kollegen im Operationssaal angeleitet werden. Eine Umfrage des Hartmannbundes von 2018/2019 verdeutlicht, dass zwei Drittel der befragten Assistenzärzte mäßig bis gar nicht zufrieden sind mit ihrer Weiterbildung. "Learning by error" - also Lernen durch Fehler - gab ein Teilnehmer resigniert an.

Schon heute fehlen Mediziner an den Kliniken

Für die Ärztin, liegt der Hauptgrund für ihre mangelhafte Weiterbildung im fehlenden Personal: "Wenn sie einen Assistenten in die Weiterbildung schicken, dann fehlt der auf Station und in der Patientenversorgung." Die Personalnot vieler Kliniken führe dazu, dass viele Assistenzärzte vom ersten Tag an voll funktionieren müssten. Kevin Schulte sieht die Politik in der Pflicht: "Seit 2013 müssen Arbeitgeber kontrollieren, ob die Arbeitsbedingungen psychisch gesundheitsgefährdend sind und dieses Recht müsste auch in Krankenhäusern gelten." Der Internist hat nun im Namen seines Berufsverbandes einen offenen Brief an die Gesundheitsminister der Länder geschrieben.

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