18.10.2024
Europas Abhängigkeit von Amerika Bidens Besuch und die ungenutzten Chancen

Europa hat die Biden-Jahre nicht genug genutzt: US-Präsident in Berlin

Der Besuch des US-Präsidenten Joe Biden in Berlin hat in der deutschen Hauptstadt für viel Aufsehen gesorgt. Doch trotz wichtiger Gäste und eines vollen Terminkalenders, so schreibt Nikolas Busse in einem Kommentar für die F.A.Z., handle es sich bei Bidens Visite eher um einen Abschieds- als um einen Arbeitsbesuch. Denn in wenigen Wochen wird in den Vereinigten Staaten gewählt und Biden ist dann, wie man in Washington sagt, eine "lahme Ente". Die Weltpolitik, so Busse weiter, werde sich dann schnell auf den neuen Oberbefehlshaber im Weißen Haus einstellen, insbesondere im Hinblick auf die großen Kriegs- und Krisenherde dieser Welt.

Obwohl sich Bidens Vize-Präsidentin Kamala Harris in einigen Punkten dem Kurs Donald Trumps angenähert habe, so seien die Kontraste zwischen den beiden Kandidaten in der Außenpolitik nach wie vor groß. Busse geht davon aus, dass Harris an den großen Linien der Biden-Regierung festhalten würde, während Trump für Isolationismus und Bündnisskepsis stehe. Zwar habe Trumps erste Amtszeit gezeigt, dass er seine Politik nicht immer eins zu eins umsetzen könne, doch bleibe festzuhalten, dass ein Wahlsieg Trumps einen deutlichen Unterschied zu dem überzeugten Transatlantiker Biden bedeuten würde.

Europa, so Busse weiter, habe die vier Jahre mit Biden im Weißen Haus nicht völlig ungenutzt verstreichen lassen. Immerhin seien die Verteidigungsausgaben unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges gestiegen und es habe einen breiten Willen gegeben, sich der Herausforderung durch Putin zu stellen. Die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte seien jedoch nicht so schnell und nachhaltig korrigiert worden, wie es nach Ausrufung der "Zeitenwende" durch Bundeskanzler Olaf Scholz möglich erschien.

In der Folge sei Europa heute im Grunde noch stärker von Amerika abhängig als im Kalten Krieg, so Busse. Dies gelte nicht nur für das militärisch, so wörtlich, "ausgezehrte" Deutschland. Ein Wahlsieg Trumps würde in Moskau daher nicht nur als Chance im Ukraine-Krieg begriffen werden.

Der Besuch Bidens in Berlin fällt mit der Präsentation des "Siegesplans" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen. Dieser Plan, so Busse, komme in der aktuellen Lage zu früh, da er zu viele Forderungen enthalte, deren potentielle Folgen noch Bidens Nachfolger beschäftigen würden. Dass Selenskyj in Brüssel betont habe, die Ukraine werde auch dann weiterkämpfen, wenn sein Plan abgelehnt werde, dürfte indes keine hohle Phrase sein. Denn Kriege, so Busse abschließend, ließen sich nicht von (Ost-)Deutschland aus fernsteuern.

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa-hat-die-biden-jahre-nicht-genug-genutzt-us-praesident-in-berlin-110053050.html

Der Besuch Bidens in Berlin war auch Anlass für einen Rückblick auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Wie der Schweizer Rundfunk SRF berichtet, war das Verhältnis zwischen den beiden Ländern nicht immer so angespannt wie heute. So habe John F. Kennedy bei seinem Besuch in Berlin im Jahr 1963 noch vor zehntausenden jubelnden Menschen gesagt: "Wir Amerikaner setzen unsere Städte aufs Spiel, um Ihre Städte zu verteidigen."

Quelle: https://www.srf.ch/news/international/besuch-in-deutschland-olaf-scholz-joe-biden-und-die-verlorene-leichtigkeit

Die Zeiten haben sich geändert. Die USA sind nicht mehr bereit, die Last der Verteidigung Europas alleine zu tragen. Sowohl Trump als auch Biden und Harris haben Europa immer wieder aufgefordert, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

Der Besuch Bidens in Berlin ist daher auch ein Signal an Moskau, dass die westlichen Verbündeten zusammenstehen. Doch die Unterstützung für die Ukraine hat ihren Preis. Die G7-Staaten wollen im kommenden Jahr 50 Milliarden Euro nach Kiew schicken. Doch Putin hat für seinen Krieg bereits 127 Milliarden Euro eingeplant.

Europa brennt, der Krieg frisst sich nach Westen. Und 61 Jahre nach Kennedy würden die USA ihre Städte nicht mehr für die Deutschen, für Europa aufs Spiel setzen.

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