Die psychische Belastung von Lokführern nach Zugunglücken ist ein Thema, das oft im Schatten der Unfallursachen und Ermittlungen steht. Doch die Folgen für die unmittelbar Betroffenen, insbesondere die Lokführer, können verheerend sein. Wie die F.A.Z. berichtet, sind Lokführer statistisch gesehen zweimal in ihrem Berufsleben mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert.
Nach dem Zugunglück in Hamburg im Februar 2025, bei dem ein Mensch starb und Dutzende verletzt wurden, blieb der Lokführer zwar körperlich unverletzt, doch die psychischen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Wie ein Sprecher der Hamburger Bundespolizei der F.A.Z. mitteilte, stand der Lokführer „erheblich unter Schock“. Dass er körperlich unverletzt blieb, sei ein „glücklicher Zufall“ gewesen.
Stefan Mousiol, Sprecher der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, betonte gegenüber der F.A.Z., dass jeder Lokführer mit solchen Ereignissen rechnen müsse. Umso wichtiger sei ein umfassendes Nachsorgeprogramm der Eisenbahnunternehmen, nicht nur für Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter und Bordgastronomen. Das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn trotz Notbremsung ein Unfall nicht verhindert werden kann, könne zu tiefen Traumata führen.
Sascha Fischer, leitender Psychologe der Vincera Klinik Spreewald, behandelt Menschen mit Risikoberufen, darunter auch Lokführer. Wie er der F.A.Z. erklärte, liegen oft längere Zeiträume zwischen Ereignis und Behandlung, da sich die Betroffenen „ganz tapfer zusammenhalten“. Dies könne jedoch dazu führen, dass Erkrankungen chronisch werden. Eine akute Belastungsreaktion trete bei etwa 45 Prozent der Betroffenen in den ersten Tagen nach dem Trauma auf. Eine posttraumatische Belastungsstörung trete hingegen erst nach etwa vier Wochen auf, jedoch nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen (zwischen acht und zehn Prozent).
Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, so Fischer gegenüber der F.A.Z., „brennen sich die Ereignisse im sogenannten Traumagedächtnis ein“ und kommen in Bruchstücken als Flashbacks wieder hoch. Geräusche, wie das Knirschen von Metall, können diese Erinnerungen triggern. Die Betroffenen erleben die Erinnerungen nicht als vergangene Ereignisse, sondern als gegenwärtig und empfinden erneut Angst und Hilflosigkeit. In der Folge ziehen sich Betroffene zurück und vermeiden alltägliche Dinge, wie die Nähe zu Zügen.
Wie die Zeit in einem Artikel von 2019 beschreibt, können auch Schienensuizide Lokführer traumatisieren. Der Psychiater Volker Reinken erklärte, dass Lokführer in solchen Situationen dem Ereignis ausgeliefert sind und nichts tun können. Das kann zu einem Trauma führen, bei dem die Bilder des Unfalls die Betroffenen verfolgen.
Auch der Spiegel berichtete 2018 über die Geschichte eines Lokführers, der mit den Folgen von Schienensuiziden zu kämpfen hatte. Der Artikel schildert die belastenden Erinnerungen und die Schwierigkeit, mit dem Erlebten umzugehen.
Eine Studie aus dem Jahr 2012, veröffentlicht im Journal of Traumatic Stress, untersuchte den Verlauf und die Prädiktoren von posttraumatischer Belastung bei Lokführern nach "Person-unter-Zug"-Vorfällen. Die Ergebnisse zeigten, dass Angst, Schuldgefühle und Entfremdung die wichtigsten Faktoren für die Vorhersage posttraumatischer Belastungen sechs Monate nach der Rehabilitation waren.
Die wichtigste Prävention, um eine posttraumatische Belastungsstörung zu verhindern, sei Aufklärung, so Fischer. Betroffene müssten die Symptome einordnen können. Entlastende Gespräche und soziale Unterstützung seien entscheidend. Eine Behandlung sei zwar möglich, aber das Ziel sei nicht, die Erinnerung zu löschen, sondern sie in eine „normale“ belastende Erinnerung umzuwandeln.
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